Die Ikigai-Methode
Gibt es so etwas, wie die Ikigai Methode?
Ikigai ist eine Philosophie und öffnet einen Raum für viele Disziplinen, denn Ikigai beschäftigt sich mit der Frage, was unser Leben lebenswert macht (Motoki Tonn, Ikigai: das Geheimnis der kleinen Dinge).
Wenn wir als Trainer, Coaches und Lebensbegleiter mit Ikigai arbeiten, integrieren wir viele Disziplinen:
Psychologie, Psychotherapie und Logotherapie
Philosophie
Soziologie und Kulturwissenschaften,
Japanologie (Sinologie)
Diese Mehrdimensionalität und Interdisziplinarität macht Ikigai so spannend und bietet viele Türen für konkrete Anwendungen im Alltag. Ikigai als Praxis wird im Leben erfahrbar durch:
Ikigai- und besondere sowie alltägliche Lebensmomente (Ikigai-Bewusstsein)
Reflexion, Kontemplation und Meditation (hier Beispiele für Ikigai-Meditationen)
Kreativität, Flow und Ikigai (mehr dazu)
Im Austausch miteinander (Resonanz)
In Herausforderungen und Rückschlägen (Nähe zur Logotherapie, hier ein Gespräch mit Trudy Boyle)
Aktivitäten, aber auch in Stille und Ruhe
Spiritualität und Glaube
Erste Ikigai-Methode: Der IKIGAI Kompass
Eine Annäherung an Ikigai kann über die zentralen Werte der japanischen Kultur erfolgen. Ein Beispiel dafür ist „Harmonie“, ein Wert, der bereits in der ersten Verfassung Japans verankert wurde.
Ikigai bietet eine Vielzahl von Perspektiven über die japanischen Werte. Wir haben den Ikigai-Kompass entwickelt, den wir näher in unserem IKIGAI Buch und Ikigai Kursen erläutern.
Der Ikigai-Kompass lässt sich auch wunderbar mit der Natur als Ort verbinden, an dem wir unsere Sinne (Ikigai-kan, das Ikigai-Gefühl) und Ikigai-Resonanz (Resonanz ist eine der Ikigai-Dimensionen nach Mieko Kamiya) verbinden.
Der Ikigai-Kompass bildet zentral Elemente der japanischen Kultur mit Ikigai verbindet. Diese Elemente erläutern wir näher in unserem Buch “Ikigai: Das Geheimnis der kleinen Dinge”.
Der IKIGAI-Kompass © und seine Elemente:
Aufmerksamkeit:
Aufmerksamkeit ist eines unserer wertvollsten Güter – und wir haben die Fähigkeit, sie aktiv zu steuern.
Dennoch verbringen die meisten von uns die meiste Zeit im „Autopilot-Modus“, in dem wir unbewusst und aufgrund festgefahrener Annahmen und Verhaltensmuster reagieren. Wenn wir jedoch lernen, unsere Aufmerksamkeit im Alltag bewusst zu lenken, können wir das, was unser Leben wirklich bedeutsam macht, klarer und intensiver wahrnehmen.Die Verhaltensforschung und die Neurowissenschaften haben gezeigt, dass die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit wesentlich zu unserem Wohlbefinden beiträgt. Eine bahnbrechende Studie von Killingsworth und Gilbert (2010) mit mehr als 300.000 Teilnehmenden im internationalen Kontext hat gezeigt, dass ein abschweifender Geist häufig mit einem geringeren Maß an Zufriedenheit und Glück einhergeht. Indem wir unsere Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt und die wesentlichen Aspekte unseres Lebens richten, können wir nicht nur unser allgemeines Wohlbefinden steigern, sondern auch ein tieferes Gefühl der Erfüllung und Zufriedenheit erreichen.
Ken Mogi, Neurowissenschaftler und Autor, betont ebenfalls die zentrale Bedeutung des Hier und Jetzt in seiner Darstellung der fünf Säulen des Ikigai. Er argumentiert, dass das bewusste Erleben des gegenwärtigen Moments ein grundlegender Bestandteil von Ikigai ist. Durch diese Fokussierung können wir die kleinen Freuden und Schönheiten des Lebens voll und ganz schätzen, was letztlich zu einem erfüllteren und glücklicheren Leben führt.
Gelassenheit:
Ikigai findet uns - und deshalb ist Gelassenheit nicht nur etwas Schönes, sondern eine wesentliche Lebenshaltung. Gelassenheit bedeutet nicht Gleichgültigkeit - es ist vielmehr eine innere Ruhe, die uns hilft, inmitten von Herausforderungen Ruhe und Sinn zu finden. Das bedeutet für uns, dass wir loslassen können, mit Nachdruck Sinn zu finden (“Sinn auf Knopfdruck”, “Purpose jetzt”).Das Streben nach Glück ist eine sehr westliche und zugleich wenig erfolgreiche Idee, wie schon Viktor Frankl betonte:
”Je mehr der Mensch nach Glück jagt, umso mehr verjagt er es auch schon.”
Dabei können wir Sinn in den alltäglichen Momenten erleben - und uns überraschen lassen, in welch unzähligen Formen sich so Werte in unserem Leben verwirklichen.
Zudem hilft Gelassenheit uns mit Stress umzugehen und Situationen mit Klarheit und innerem Frieden zu meistern. Die Bedeutung von Gelassenheit wird durch zahlreiche wissenschaftliche Studien und Konzepte unterstützt. Bereits Hans Selye, ein Pionier der Stressforschung, hob in seinem Werk „The Stress of Life“ (1956) hervor, wie wichtig es ist, effektive Mechanismen zur Stressbewältigung zu entwickeln. Gelassenheit hilft uns, die physischen und psychischen Auswirkungen von Stress zu minimieren und fördert unsere Fähigkeit, in schwierigen Momenten besonnen und ausgewogen zu handeln.
Werte:
Unsere persönlichen Werte zu kennen und danach zu leben, ist grundlegend für unsere Integrität und Zufriedenheit. Diese Werte dienen als Richtschnur für unser Handeln und unsere Entscheidungen und bilden die Basis für ein authentisches und erfülltes Leben. Viktor Frankl betonte, dass die Suche nach einem sinnvollen Leben, das auf authentischen Werten basiert, essentiell für die menschliche Existenz ist.Psychologische Forschungen, wie die von Shalom H. Schwartz zeigen, dass ein Leben im Einklang mit unseren Werten zu höherem Wohlbefinden und innerer Zufriedenheit führt. Wenn wir unsere Werte bewusst umsetzen, leben wir in Übereinstimmung mit unserem wahren Selbst und erfahren dadurch tiefere Sinnhaftigkeit und Erfüllung.
Harmonie:
In der japanischen Kultur ist Harmonie oder "Wa" ein zentrales Prinzip und bedeutet mehr als die Abwesenheit von Schlechtem. Die Idee der Harmonie für das japanische Volk wurde bereits vor über 1500 Jahren in der ersten Verfassung Japans als wichtiges Staatsprinzip verankert und bezieht sich auf die Harmonie und Einheit von Volk und Kultur. Es drückt eine besondere Verpflichtung aus, jeden Einzelnen zu respektieren.Die Bedeutung von Harmonie kommt auch im Namen der gegenwärtigen japanischen Kaiserzeit "Reiwa" - schöne Harmonie - zum Ausdruck. Premierminister Shinzō Abe begründete die Wahl des Namens für 2019 mit der Hoffnung, dass Japan ein Ort sei, an dem jeder Mensch wie eine Blume der Hoffnung für morgen erblühen kann, so wie die Pflaumenblüten in voller Blüte den Frühling ankündigen.
Wenn wir Ikigai erleben, blühen wir auf und spüren, dass das Leben lebenswert ist. Wir erkennen die Einzigartigkeit des Augenblicks und fühlen uns lebendig. Das ist der Kern von Ikigai, der durch die Prinzipien von Wa und Reiwa verstärkt wird. Harmonie bedeutet mehr als nur die Abwesenheit von Konflikten, sie umfasst eine friedvolle Qualität, die in allen Aspekten unseres Lebens präsent ist.
Vertrauen:
Vertrauen schafft Sicherheit und ermöglicht es uns, Herausforderungen mutig zu begegnen. Es ist die Grundlage für tiefe und bedeutungsvolle Beziehungen. Forschung im Bereich der Sozialpsychologie zeigt, dass Vertrauen zu effektiverer Zusammenarbeit und geringerem Stress führt (Rotter JB. Interpersonal trust, trustworthiness, and gullibility. American Psychologist. 1980). Vertrauen ist auch wichtig für das Miteinander: Amy Edmondson prägte den Begriff der „psychologischen Sicherheit“, der beschreibt, wie wichtig Vertrauen für die Teamleistung ist. Teams, die ein hohes Maß an Vertrauen erleben, sind oft kreativer und effektiver in der Zusammenarbeit. Forschung im Bereich der Sozialpsychologie zeigt, dass Vertrauen zu effektiverer Zusammenarbeit und geringerem Stress führt (Rotter JB. Interpersonal trust, trustworthiness, and gullibility. American Psychologist. 1980).Respekt:
Respekt ist ein zentraler Wert in der japanischen Kultur, der sich in der Sprache, den Traditionen und Ritualen tief verwurzelt zeigt. Ein markantes Beispiel ist die Praxis des Verbeugens, die in verschiedenen Tiefen ausgeführt wird und jeweils unterschiedliche Grade des Respekts symbolisiert:Eshaku (会釈): Eine leichte Neigung des Kopfes oder eine Verbeugung von etwa 15 Grad, oft verwendet in informellen Situationen oder unter Gleichgestellten.
Keirei (敬礼): Eine respektvolle Verbeugung von etwa 30 Grad, typisch in formelleren Kontexten oder wenn man Personen von höherem sozialem Status grüßt.
Saikeirei (最敬礼): Eine sehr tiefe Verbeugung von etwa 45 Grad oder mehr, die in Situationen höchsten Respekts angewandt wird, etwa gegenüber hochrangigen Persönlichkeiten oder in sehr formellen Anlässen.
Darüber hinaus zeigt sich in Japan auch ein tiefgehender Respekt gegenüber der Natur, den Gottheiten und weiteren Aspekten des Lebens, was die Harmonie zwischen Mensch und Umwelt betont.
In einem breiteren Sinne umfasst Respekt die Anerkennung der Würde und des Wertes jedes Individuums. Er fördert ein Umfeld der Akzeptanz und des Wohlwollens. Forschungen zeigen, dass respektvolles Verhalten in Gruppen nicht nur zu einer höheren Produktivität, sondern auch zu größerer Zufriedenheit führt (De Cremer D, Tyler TR. The effects of trust and procedural fairness on cooperation. Journal of Applied Psychology. 2005). Dies unterstreicht die universelle Bedeutung von Respekt als Grundlage für erfolgreiche und harmonische soziale Interaktionen.
Einzigartigkeit:
Jeder Mensch ist einzigartig, mit individuellen Talenten und Perspektiven. Die Zen-Philosophie schätzt diese Einzigartigkeit und die damit verbundene Vergänglichkeit, wie durch das Konzept von „Ichi-go ichi-e“ (einmalig, einzigartig) hervorgehoben wird. Diese Wertschätzung der Einzigartigkeit und des Moments unterstreicht die Bedeutung jedes Individuums. Die Psychologie bestätigt, dass die Anerkennung dieser Einzigartigkeit zu Selbstvertrauen und persönlichem Wachstum führt, was Carl Rogers in seinem Werk „On Becoming a Person“ betont.Raum & Zeit:
Zeit und die Art, wie wir sie nutzen, bestimmen die Qualität unseres Lebens. Die Fähigkeit, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein und geduldig auf natürliche Prozesse zu warten, ist entscheidend für ein erfülltes Leben. Forschungen zur Achtsamkeit zeigen, dass ein bewusster Umgang mit unserer Zeit das Stressniveau reduziert und das allgemeine Wohlbefinden erhöht (Kabat-Zinn J. Wherever You Go, There You Are: Mindfulness Meditation in Everyday Life. Hyperion; 1994).
In der Zen-Philosophie ist das Konzept von „Ma“ (Raum) zentral – es geht um den Raum zwischen Dingen, der nicht leer ist, sondern mit Möglichkeiten und Bedeutung gefüllt. Dieses Verständnis erweitert sich auf die Zeit: das Leben im gegenwärtigen Moment und die Anerkennung der Vergänglichkeit jedes Augenblicks. Diese Perspektive lehrt uns, geduldig und aufmerksam zu sein, da jeder Moment einzigartig ist und nicht wiederholt werden kann. Diese Achtsamkeit in Bezug auf Raum und Zeit trägt wesentlich zu einem tiefen, erfüllten Leben bei und steht im Einklang mit dem Streben nach Ikigai, welches das Finden von Freude in dauerhaften und alltäglichen Aufgaben betont.
Die zweite Ikigai-Methode: Das IKIGAI-Modell von Finde Zukunft
Mieko Kamiya, die als Begründerin der Ikigai-Psychologie gilt, hat in den 1960er Jahren in ihrer Forschung und ihrem Buch “Ikigai-ni-Tsuite”, dass nie in andere Sprachen übersetzt wurde, sieben zentrale Dimensionen von IKIGAI identifiziert. Diese IKIGAI-Dimensionen zielen darauf ab, das tiefe Gefühl von Lebenssinn und Zufriedenheit zu erfassen, das in der japanischen Kultur hoch geschätzt wird. Die sieben Dimensionen von Mieko Kamiya sind:
Lebenszufriedenheit,
Selbstverwirklichung,
Freiheit,
Wachstum und Veränderung,
Resonanz in Beziehungen und an Orten,
eine konstruktive Zukunftsperspektive und
Harmonie.
Jede dieser Dimensionen trägt auf ihre Weise zur ganzheitlichen Erfüllung und einem tief empfundenen Lebenssinn bei.
Diese Dimensionen können wir gut mit dem IKIGAI-Test reflektieren.
IKIGAI nach Kenchiro Mogi
Ken Mogi erweitert dieses Verständnis in seinem Buch über Ikigai, indem er fünf Säulen vorstellt, die Ikigai im Alltag erfahrbar machen sollen. Diese Säulen sind: im Hier und Jetzt sein, Freude an kleinen Dingen haben, sich selbst zu akzeptieren und Ansprüche anderer loszulassen, Harmonie (japanisch “Wa”, bedeutet in weitesten Sinne Frieden) und Nachhaltigkeit (weniger ist mehr).
Diese Prinzipien machen deutlich, wie wichtig es ist, die kleinen Dinge des Alltags wertzuschätzen - worüber auch Klaus Motoki Tonn in seinem Buch “Ikigai: Das Geheimnis der kleinen Dinge” schreibt. Es geht darum, den vorhandenen Reichtum zu entdecken und wertzuschätzen.
In einem Gespräch mit Ken Mogi haben wir festgestellt, dass diese fünf Säulen eigentlich sechs Dimensionen sind, wenn wir Harmonie und Nachhaltigkeit eigenständig begreifen wollen. Aus diesen sechs Säulen haben wir dann sechs Fragen für den Alltag entwickelt – ein Konzept, das Ken Mogi bestätigte.
Auf der Grundlage dieser tiefen Einsichten haben wir bei Finde Zukunft ein eigenes IKIGAI-Modell entwickelt. Unser Modell integriert sowohl die tieferen, lebensbezogenen Aspekte der sieben IKIGAI-Dimensionen als auch die praktischen, alltagsbezogenen Säulen von Mogi.
Ziel unseres Ansatzes ist es, ein umfassendes Verständnis von Ikigai zu vermitteln, das der authentischen Bedeutung von Ikigai gerecht wird und gleichzeitig die Frage nach der persönlichen Erfüllung und dem täglichen Wohlbefinden praktisch unterstützt.
IKIGAI-Reflexion nach Ken Mogi
Wir haben mit den Dimensionen nach Mieko Kamiya und den fünf, bzw. sechs Ikigai-Säulen nach Ken Mogi eine IKIGAI-Reflexion entwickelt, die du hier durchführen kannst:
In unserem Ikigai-Live-Kurs bieten wir eine tiefgehende Exploration dieses Modells und seiner praktischen Anwendbarkeit im Alltag. Durch interaktive Übungen und Reflexionen lernen die Teilnehmer, wie sie die Prinzipien des Ikigai in ihr tägliches Leben integrieren können, um ein erfüllteres und ausgeglicheneres Leben zu führen. Interessierte können die Kursmaterialien und weitere Ressourcen über unseren Shop beziehen, um sich intensiver mit dem Konzept auseinanderzusetzen und dessen transformative Kraft zu erleben.
In unserem Ikigai-Live-Kurs vertiefen wir das Ikigai-Modell und seine praktische Anwendbarkeit im Alltag. Interessierte können die Materialien über unseren Shop beziehen.