Deutsche Ikigai Studie
Ikigai und Prävention: Neue Evidenz aus Deutschland
Eine 2024 erschienene Studie in Preventive Medicine liefert bemerkenswerte Ergebnisse:
Menschen mit höherem Ikigai – also einem aktiv erlebten und gelebten Sinnhorizont – nutzen Vorsorgeangebote häufiger. Gemeint sind vor allem Grippeimpfungen, Krebsscreenings und Routine-Check-ups.
Bemerkenswert ist: Der Zusammenhang bleibt bestehen – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Bildung.
Die Grundlage der Studie ist eine repräsentative Stichprobe von mehr als 5.000 Erwachsenen in Deutschland im Alter von 18 bis 74 Jahren. Erfasst wurde Ikigai mit der validierten deutschen Übersetzung der Ikigai-9-Skala.
Ergebnisse im Überblick
Menschen mit höherem Ikigai gehen häufiger zu Vorsorgeuntersuchungen.
Impfungen und regelmäßige Check-ups werden bewusster wahrgenommen.
Dieser Zusammenhang gilt quer durch alle Alters- und Bildungsgruppen.
Warum ist das relevant?
Obwohl der Zugang zu Vorsorge in Deutschland sehr gut ist, bleiben die Teilnahmequoten hinter den Möglichkeiten zurück. Hier eröffnet sich ein neuer Blick:
Ikigai – nicht als Venn-Diagramm, sondern als gelebte Sinn- und Stimmigkeit im Alltag verstanden – kann ein wirksamer Hebel sein, um Motivation und Präventionsbereitschaft zu stärken.
Kurzum: Wer weiß, wofür er/sie gesund bleiben möchte, ist eher bereit, sich rechtzeitig um die eigene Gesundheit zu kümmern.
Implikationen für Praxis & Organisationen
Gesundheitskommunikation um Sinnfragen erweitern: „Wofür will ich gesund bleiben?“
Programme zur Ikigai-Förderung in Unternehmen integrieren – etwa über Reflexion, Mikro-Routinen und soziale Resonanz im Rahmen von BGM/BGF.
Ärztliche Beratung stärker an individuelle Werte, Rollen und Zukunftsbilder koppeln.
Relevanz für die Care-Arbeit
Diese Ergebnisse bestätigen unsere langjährige Arbeit: Ikigai – in der Tiefe nach Ken Mogi und Mieko Kamiya verstanden – stärkt nicht nur Wohlbefinden, sondern auch präventives Verhalten.
Wie ihr wisst, übersetzen wir bei Finde Zukunft dieses Wissen seit Jahren in alltagstaugliche Mikro-Routinen, Reflexionsformate und Führungskräftetrainings, die Sinnorientierung mit konkreten Gesundheitsfragen verbinden.
Dazu bilden wir für Coaches, Therapeuten, Ausbilder und Führungskräfte Formate für die Ikigai-Ausbildung.
Ergänzende Informationen: Die Ikigai-9-Skala
Die Ikigai-9 ist ein psychometrisch geprüftes Instrument, das neun Fragen zu Sinn, Motivation und Lebensausrichtung umfasst (z. B. „Ich möchte etwas Neues lernen oder beginnen“). Die Antworten ergeben einen Summenwert von 9 bis 45 Punkten. Höhere Werte stehen für ein stärker ausgeprägtes Ikigai. Seit 2024 liegt eine validierte deutsche Version vor (Ikigai-9-G).
Ergänzende Informationen: Ikigai in Japan – Mieko Kamiya
Die japanische Psychiaterin Mieko Kamiya gilt als die „Mutter des Ikigai-Konzepts“. In ihrem Werk Ikigai-ni-Tsuite (1966) beschrieb sie sieben Dimensionen, die das Leben lebenswert machen:
Lebenszufriedenheit
Wachstum und Veränderung
Gute Zukunft
Resonanz
Freiheit
Selbstverwirklichung
Bedeutung und Wert
Damit schuf sie die wissenschaftliche Grundlage für Ikigai – lange bevor es im Westen populär wurde.
Ergänzende Informationen: Vergleich der Ikigai-9 Validierungen
1. Japan – Original (Imai, Osada & Nishi, 2012)
Publikation: Japanese Journal of Public Health (2012)
Stichprobe: Japanische Allgemeinbevölkerung.
Struktur: 3 Faktoren
Emotionen gegenüber dem Leben
Einstellungen zur Zukunft
Anerkennung der eigenen Existenz
Besonderheit:
Erste psychometrisch geprüfte Skala.
Ziel: differenzierte Erfassung von Ikigai, nicht nur über die Ja/Nein-Frage „Haben Sie Ikigai?“.
Grundlage für alle späteren Übersetzungen und Validierungen.
2. UK – Englische Validierung (Fido, Kotera & Asano, 2020)
Publikation: International Journal of Mental Health and Addiction (2020).
Stichprobe: 349 Erwachsene aus Großbritannien.
Struktur: 1 Faktor (statt 3).
Zusammenhänge:
Positiv mit Wohlbefinden.
Negativ mit Depressivität.
Kein signifikanter Zusammenhang mit Angst oder Stress.
Besonderheit:
Das 3-Faktor-Modell ließ sich im UK nicht bestätigen.
Ikigai erscheint eher als globales Gefühl von Sinn und Zweck.
3. Frankreich – Französische Validierung (Vandroux & Auzoult-Chagnault, 2022/23)
Publikation: Psychologie Française (2022, publ. 2023).
Stichprobe:
Explorative Analyse: 170 Personen.
Konfirmatorische Analyse: 1205 Personen.
Struktur: 3 Faktoren (wie im japanischen Original).
Besonderheit:
Sehr robuste interne Konsistenz.
Stützt die mehrdimensionale Sicht von Ikigai.
Eröffnet die Möglichkeit für interkulturelle Vergleiche im frankophonen Raum.
4. Deutschland – Deutsche Validierung (Hajek et al., 2024)
Publikation: Societies (2024) – „Ikigai-9-G“.
Stichprobe: 5000 Erwachsene (18–74 Jahre), repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.
Struktur: Übernahme der Ikigai-9 mit exzellenter Reliabilität (α = .88).
Besonderheit:
Erste groß angelegte Anwendung in Deutschland.
Untersuchte explizit den Zusammenhang zwischen Ikigai und Präventionsverhalten (Grippeimpfung, Krebs-Screening, Check-ups).
Zeigte robuste Effekte unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildung.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Japan, Frankreich und Deutschland bestätigen die dreidimensionale Struktur von Ikigai: ein Zusammenspiel aus
Emotionen gegenüber dem Leben,
Einstellungen zur Zukunft und
Anerkennung der eigenen Existenz.
Damit wird Ikigai als komplexes, vielschichtiges Konstrukt sichtbar, das emotionale, motivationale und existenzielle Ebenen integriert.
Die britische Validierung hingegen reduziert Ikigai auf eine globale Dimension – das allgemeine Gefühl von Sinn und Zweck.
So zeigt sich: Ikigai ist kulturell anschlussfähig, seine Faktorstruktur variiert jedoch je nach Kontext und Population.