Wie uns Journaling helfen kann

Wie Journaling-Übungen und Expressives Schreiben unserer mentalen Gesundheit helfen

Es ist Montagabend, ich sitze erschöpft in meinem Zimmer nach einem langen Tag. In Gedanken gehe ich den heutigen Tag durch. Ich bin unzufrieden. Unzufrieden mit meiner heutigen sogenannten „Performance“. Zu spät aufgestanden, zu spät angefangen zu arbeiten, zu unproduktiv gewesen. Dazu kommen meine Sorgen darüber, wie meine nächsten Monate wohl aussehen werden. Nach einer ersten Informationsveranstaltung graut es mir vor der bevorstehenden Bachelorarbeit. Hinzu kommen Entscheidungen, die getroffen werden müssen: Bleibe ich in Portugal? Verlängere ich mein Auslandssemester? Wie organisiere ich mein bevorstehendes Semester?

Meine Gedanken kreisen. Es ist zu viel, zu viel zu überdenken. Dann kommt mir die Idee meine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben, vielleicht hilft das ja. Und tatsächlich es hat geholfen. Nicht dabei Entscheidungen zu treffen, aber dabei meine Gedanken zu ordnen, zu sortieren und nicht mehr diese innere Unruhe zu verspüren. Dir geht es auch oft so?

Diese Technik, die ich verwendet habe, wird als Journaling bezeichnet.

Journaling wird immer beliebter und bestimmt hast du diesen Begriff schon einmal gehört. Das Journaling hat sich aus dem expressiven Schreiben entwickelt, welches James W. Pennebaker bereits durch seine Studien in den 1980er Jahren erforschte und entdeckte. Seine Erkenntnisse waren so beeindruckend, dass viele weitere Studien folgten. Seine Untersuchungen fanden heraus, das expressives Schreiben, welches die Auseinandersetzung mit erlebten Traumata und unseren tiefsten Gedanken und Gefühlen beschreibt, folgende positive Auswirkungen mit sich bringt:

-          Eine geringere Krankheitsrate in den Monaten nach dem regelmäßigen Schreiben

-          Ein verbessertes Immunsystem

-          Eine schnellere Wiederbeschäftigung nach Arbeitsplatzverlust

-          Eine Verbesserung des psychischen Wohlbefindens

-          Eine Heilung emotionaler Wunden

-          Eine Reduzierung von Stress

-          Eine Verbesserung von Beziehungen

Dabei zählen diese Aspekte nur zu den ersten Erkenntnissen von Prof. James W. Pennebaker. Weitere Vorteile dieser Methodik folgten, wie andere Forscher, teilweise in Zusammenarbeit mit Pennebaker, herausfanden. Dazu zählen:

-          Ein niedrigerer Blutdruck

-          Eine verbesserte Lungenfunktion und Leberfunktion, verringerte Rheumasymptomatik

-          Bessere Studienleistungen

-          Weniger Fehltage

-          Ein besseres Arbeitsgedächtnis  

-          Bessere Sportergebnisse  

-          Bessere soziale Integration  

-          Ein verbessertes psychisches Wohlbefinden  

-          Abnahme depressiver Symptome


„Wir begannen mit Experimenten, bei denen die Teilnehmer aufgefordert wurden, an drei bis vier aufeinanderfolgenden Tagen fünfzehn bis zwanzig Minuten pro Tag über (traumatische) Erlebnisse zu schreiben. 

Im Vergleich zu Personen die über nicht emotionale Themen schreiben sollten, zeigte sich bei denjenigen die über Traumata schrieben, eine Verbesserung der körperlichen Gesundheit“ (Pennebaker 2011). Wer Prof. Pennebaker und die Effekte von expressiven Schreiben auf englisch hören mag, kann dies in diesem Video tun.

Spätere Studien ergaben, dass emotionales Schreiben die Immunfunktion stärkte, den Blutdruck senkte, depressive Verstimmungen verringerte und die tägliche Stimmung hob

Heute, mehr als fünfundzwanzig Jahre nach dem ersten Schreibexperiment, wurden weltweit mehr als zweihundert ähnliche Schreibstudien durchgeführt. Auch wenn die Auswirkungen oft bescheiden sind, so wird doch der bloße Akt, emotionale Erschütterungen in Worte zu fassen, durchweg mit Verbesserungen der körperlichen und geistigen Gesundheit in Verbindung gebracht.


Expressives Schreiben, Journaling, Tagebuch schreiben

Bis jetzt habe ich über expressives Schreiben und Journaling gesprochen. Das alles erinnert an das ganz alltägliche Tagebuch schreiben.

Doch wo liegt nun der Unterschied?

Expressives Schreiben beschreibt die detaillierte Auseinandersetzung mit Traumata sowie mit unseren tiefsten Gedanken und Gefühlen. Bei diesem Prozess können durchaus auch negative Nebenwirkungen auftreten, worauf der Begründer dieser Technik auch verweist. Denn die meisten Menschen fühlen sich nach dem Schreiben schlecht oder traurig. Was natürlich nachvollziehbar ist, da die Aufarbeitung schwieriger Erlebnisse nicht einfach ist. Die längerfristige Betrachtung dieser Vorgehensweise zeigt jedoch, dass viele ihre negativen Erfahrungen erst durch das expressive Schreiben verarbeiten konnten, da sie diese zuvor lediglich verdrängt hatten und mit niemandem darüber sprachen. Dabei ist doch bekannt, dass wir uns besser fühlen, wenn wir über unsere Gedanken und Gefühle sprechen. Darüber hinaus berichten viele Praktizierende, dass diese Methodik ihnen half, sich selbst besser zu verstehen. Zu verstehen, wie sie sich in dieser traumatisierenden Situation fühlten. Es erlaubt ihnen eine innere Ruhe zu verspüren, oder einen sogenannten „Seelenfrieden.

Journaling hingegen beschreibt nicht die Auseinandersetzung mit Traumata aus unserer Vergangenheit. Zwar können wir uns bei dieser Form der Reflexion auch intensiv mit unseren Gedanken und Gefühle beschäftigen, jedoch geht es viel mehr um genau das – REFLEXION. Außerdem gibt es viele verschiedene Arten des Journalings. Dazu zählen:

-          Das 5-Minuten-Journal

-          Ein Dankbarkeitstagebuch

-          Ein Wochen- oder Monatsrückblick

-          Ein Traumtagebuch

-          Die Morgenseiten

 -          Kreatives Schreiben – zu empfehlen: “Von der Kunst des Schreiben” von Julia Cameron

Bei dem 5-Minuten-Journal nimmst du dir täglich eine bestimmte Anzahl an Minuten vor, um 2-3 Fragen zu beantworten. Dabei kannst du dir den Zeitpunkt aussuchen. Viele Schreiben gerne Abends, andere auch morgens, um den Kopf freizukriegen.

Das Dankbarkeitstagebuch ist relativ selbsterklärend. Hierbei notierst du dir – üblicherweise abends – wofür du an diesem Tag dankbar bist und was du Positives erlebt hast. Diese Vorgehensweise wird deinen Blick auf positive Faktoren langfristig verstärken und dich sogar optimistischer stimmen.

Bei dem Wochen- oder Monatsrückblick lassen wir regelmäßig Revue passieren, was wir in den vergangenen Wochen erlebt haben, wie wir uns gefühlt haben, was wir erreicht haben etc.. Auch hier können uns feste Fragen bei der Reflektion sowie bei der Setzung von Zielen helfen. Diese Form finde ich sehr angenehm, da ich nicht täglich Zeit für mein Journaling finden muss, sondern nur in regelmäßigen Abschnitten. Gleichzeitig mache ich mir bewusst was ich eigentlich in den letzten Wochen erreicht habe.

In einem Traumtagebuch hälst du deine Träume fest. Bei dieser Methodik schreibst du diese am besten gleich nach dem Aufstehen auf. Die Protokollierung deiner Träume kann dir dabei helfen, dein innerstes zu verstehen. Denn oft tauchen in unseren Träumen Gedanken und Gefühle aus unserem innersten Unterbewusstsein auf. Daher hilft auch diese Art der Reflektion, uns selbst besser zu verstehen.

Die Morgenseiten machte Julia Cameron in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“ populär. Diese Methodik empfiehlt den Kopf jeden Morgen sozusagen „frei zu schreiben“. Dazu sollen handschriftlich drei DIN-A4-Seiten gefüllt werden. Dabei geht es nicht um eine gezielte Reflektion, sondern eher um ein drauf losschreiben, ohne nachzudenken. Somit sollen unter anderem unnütze Gedanken und Ängste abgelegt werden, sodass wir mit einem klaren Kopf in den Tag starten können. Anders als bei den anderen Journaling-Methoden wird das auf den Morgenseiten Geschriebene im Normalfall nicht weiter genutzt.

Natürlich gibt es darüber hinaus noch viele weitere Formate.

Kurz zusammengefasst, kann dir Journaling dabei helfen:

  • Achtsamer zu werden

  • Innere Klarheit zu erlangen

  • Fokussierter zu werden

  • Deine Gefühle wahrzunehmen und zu verstehen

  • Deine Ziele schneller zu erreichen

  • Deinen Gesundheitszustand zu verbessern

Sowie vieles mehr!

In einem Tagebuch hingegen, hälst du eher die Geschehnisse deines Tages fest. 

Über Prof. James W. Pennebaker

James W. Pennebaker ist Psychologieprofessor. Er forscht und unterrichtet an der Universität Texas. Dabei gehört er zu den renommiertesten Wissenschaftlern auf dem Gebiet des therapeutischen Schreibens, vor allem im Bereich des Schreibens zur Bewältigung von Traumata. 2016 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel “Opening Up by Writing It Down, Third Edition: How Expressive Writing Improves Health and Eases Emotional Pain“. In diesem erklärt er die Ursprünge des expressiven Schreibens, wie er zu diesem gelangt ist, wie seine Studien aussahen und wie wir diese Technik erlernen und erfolgreich anwenden können.

Wissenschaftliche Studien über das Journaling

Ausdrucksvolles Schreiben und Bewältigung von Arbeitsplatzverlust.

Eine frühe Studie wurde von Buhrfeind & Prof. Pennebaker 1994 durchgeführt.

Kernaussage: Ausdrucksvolles Schreiben beeinflusst die Einstellung und unsere weitere Entwicklung.

  • Art: Experimentell

  • Teilnehmer: 20 Versuchsteilnehmer, 21 "Schreibkontrollen" und 22 "Nicht-Schreibkontrollen".

  • Studienaufbau: Beide Gruppen wurden gebeten, an fünf aufeinanderfolgenden Tagen 20 Minuten lang Tagebuch zu führen. Während die Versuchsgruppe die Anweisung erhielt, über "ihre tiefsten Gedanken und Gefühle im Zusammenhang mit der Entlassung zu schreiben und darüber, wie ihr Leben, sowohl privat als auch beruflich, davon betroffen war", wurde die Schreibkontrollgruppe angewiesen, nur über ihre jüngsten Pläne und Aktivitäten zu schreiben. Die nicht schreibende Kontrollgruppe erhielt keine Behandlung.

  • Messung: Wiedereinstellungsrate, psychologisches Wohlbefinden.

Ergebnisse: Nach 8 Monaten waren 27 % der nicht schreibenden Kontrollgruppe wieder eingestellt worden, gegenüber 48 % der schreibenden Kontrollgruppe und 68 % der Versuchsgruppe, die über ihre tiefsten Gefühle schrieb.

Schlussfolgerung: Das Tagebuchschreiben über tiefe Gefühle führt zu einer höheren Belastbarkeit, obwohl die Forscher in dieser Studie sagen, dass sie nicht vollständig erklären können, warum dieses Ergebnis eingetreten ist.

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