Seelische Resilienz

Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?
— Psalm 42, 12

Was tun, wenn nichts mehr geht?

Die seelische Resilienz beginnt dort, wo klassische Techniken und Methoden aus der Resilienz nicht mehr wirken. Die seelische Resilienz bezieht sich auf etwas in uns, dass wir nicht fassen, wohl aber spüren können: Unsere Seele.

Wir kennen Gespräche aus Notlagen, Verzweiflung und Bedrängnis schon seit vielen hunderten von Jahren. Die Psalmisten, deren Klage- und Loblieder in der Bibel in den Psalmen zusammengefasst sind, sprechen immer wieder mit und zu ihrer Seele:

  • “Lobe den Herrn, meine Seele”, Psalm 103

  • “Aber sei nur stille zu Gott, meine Seele”, Psalm 62

  • Meine Seele dürstet nach Gott”, Psalm 42

  • “Ja, ich ließ meine Seele still und ruhig werden; wie ein kleines Kind bei seiner Mutter, wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in mir.” Psalm 131

  • “Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Psalm 42

Die Psalmen, geschrieben in der antiken Sprache Hebräisch, nutzen das Wort "näphäsch" für die Seele, was sich auf lebenswichtige Elemente wie den Hals, die Luftröhre und die Speiseröhre bezieht – Organe, die essenziell für das menschliche Dasein sind.

Ebenso findet sich das Konzept der Seele im Koran, wo sie als 'Gottes Hauch' beschrieben wird. In der Erzählung von Adam und Eva hauchte Gott, nachdem er den Menschen aus Lehm formte, diesem seinen 'rūḥ' ein, wodurch Adam – der Lehm – belebt wurde.

Die Seele macht uns lebendig

Die Seele ist etwas, was wir in der Medizin nicht verorten können. Auch die Psychologie kommt hier an ihre Grenzen. Aus spiritueller Sicht macht sie uns jedoch lebendig. Gespräche der Psalmisten zeigen uns die wichtige Funktion der Seele in schwierigen Momenten auf. Auch mehrere Modelle der Resilienzfoschung benennen Spiritualität als Säule einer gesunden Resilienz.

Eine Erkundung und Pflege der Seele im Sinne seelischer Resilienz ist essenziell, um Widerstandsfähigkeit und innere Stärke zu entwickeln. Die tiefgründigen Reflexionen in den Psalmen bieten uns Einblicke, wie seelische Tiefe und Verständnis uns dabei unterstützen können, durch schwere Phasen nicht nur hindurchzukommen, sondern auch an ihnen zu wachsen.

Die Seele, als Zentrum unseres innersten Selbst, spielt eine Schlüsselrolle dabei, wie wir Herausforderungen begegnen, Sinn in unserem Leid finden und letztlich eine tiefere Verbindung zu unserem eigenen Dasein und dem Universum aufbauen. Indem wir lernen, auf die Stimme unserer Seele zu hören und ihre Weisheiten zu integrieren, stärken wir unsere Fähigkeit, mit Lebensstürmen umzugehen und aus ihnen gestärkt hervorzugehen.

Spiritualität fördert Resilienz

Emmy Werner und Ruth Smith gelten mit ihrer Langzeitstudie von Kindern auf Kauai als Begründerinnen der Resilienzforschung. Heutzutage haben wir auch in Deutschland Langzeitstudien, wie etwa in Mannheim und Bielfeld, die ähnliche Ergebnisse aufzeigen. Emmy Werner und Ruth Smith betonen die Bedeutung von Spiritualität, Gemeinschaftsformen in den Religionen und die emotionale Unterstützung, die dadurch möglich wird:

Nun, wir haben erkannt, dass es nicht einmal unbedingt um einen bestimmten Glauben geht. Ich will keinen Glauben verunglimpfen, aber es scheint, ob man katholisch, lutherisch, buddhistisch oder jüdisch ist, es geht mehr darum, was der Glaube einem an emotionaler Unterstützung gibt, als eine Möglichkeit, seinem Leben und seinem Leiden einen Sinn zu geben, und auch als eine Möglichkeit, eine Kette zu bilden, die einem hilft, eine Kette zu werden, durch die man selbst etwas an andere zurückgibt, die einem etwas gegeben haben. Das ist ein sehr, sehr wichtiger Teil der Glaubensgemeinschaft von Menschen, die Resilienz fördern oder erforschen wollen. Auf jeden Fall.
— Emmy Werner

Glaube und Vertrauen als essentielle Säulen der Resilienz

Glaube und Vertrauen bilden das Fundament, auf dem wir auch inmitten der Trümmer unseres Lebens Neues aufbauen können.

Der Glaube gibt uns die Gewissheit, dass jenseits von Leid und Zerstörung eine bessere Zukunft möglich ist.
Das Vertrauen in uns selbst und in die Menschheit inspiriert uns, diese Zukunft aktiv zu gestalten.

Indem wir vom "Warum" - warum ich, warum dieses Leid - zum "Wozu" kommen, finden wir einen tieferen Sinn in unserem Dasein.

Emmy Werners Erfahrungen zeigen uns, dass ein Blick nach vorne aus tiefem Vertrauen heraus ein Schlüssel sein kann – selbst in den dunkelsten Momenten unseres Lebens. Dies erinnert uns an die Metapher von Kintsugi: Wie aus Narben Gold werden kann.

Dieser Glaube der einem inneren Wissen nahe kommt, ermöglicht es uns, nicht nur zu überleben, sondern nach Krisen sogar zu gedeihen. Es ist das Vertrauen in etwas Größeres, das uns in Krisen kleine Hoffnungsschimmer finden lässt.


Ein Expertin-Gespräch mit Christina Comnick über die Seelische Resilienz gibt es auf der Finde-Zukunft Konferenz 2024.


Nachweise:

  • A Lifetime of Resilience Research: An Interview with Emmy Werner, Ph. D. by Kathy Marshall

  • Esser, G., & Schmidt, M. H. (2017). Die Mannheimer Risikokinderstudie: Idee, Ziele und Design. Kindheit und Entwicklung, 26(4). https://doi.org/10.1026/0942-5403/a000232

  • Foy, D. W., Drescher, K. D., & Watson, P. J. (2011). Religious and spiritual factors in resilience. In S. M. Southwick, B. T. Litz, D. Charney, & M. J. Friedman (Eds.), Resilience and Mental Health: Challenges Across the Lifespan (pp. 90-102). Cambridge University Press. DOI: 10.1017/CBO9780511994791.008

  • Werner, E. (2003). A Lifetime of Resilience Research: An Interview with Emmy Werner, Ph.D. Interview geführt von Kathy Marshall im November 2003. Veröffentlicht von Kathy Marshall Emerson, St. Paul, 2012.

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