Kintsugi – Narben aus Gold: Drei Perspektiven
Kintsugi macht Zerbruch sichtbar. Kintsugi lädt uns ein, über unsere sichtbaren und unsichtbaren Narben nachzudenken. Die Narben entstehen im Laufe unseres Lebens. Sie entstehen durch Verletzungen, die durch Geschehnisse, andere Personen oder uns selbst entstehen können. Im Gespräch mit James Doty* haben wir über unterschiedliche Perspektiven der Narben gesprochen. Eine Zusammenfassung gibt es in dem Video mit Motoki am Ende.
Die Narben werden häufig mit dem Zitat von Leonard Cohen in Verbindung gebracht:
Die erste Perspektive auf Kintsugi: Licht fällt in unser Gefäß
Dies ist eine der bekannten Perspektiven auf Kintsugi: Licht fällt ins Innere. Es zeigt das tief Verborgene in uns auf. Das Licht kann das Kostbare sichtbar machen und Vergessene illuminieren. Es kann uns zu “blinden Flecken” führen.
Auch wenn Verletzungen und kleinere oder größere Kränkungen im Alltag schmerzhaft sein können, so können sie uns gleichermaßen Unverarbeitetes aus der Vergangenheit aufzeigen. Dies ermöglicht uns ein erneutes Annähern an Erfahrungen von Enttäuschung, Trauma und Vernachlässigung. In dieser Annäherung liegt das Potenzial einer Versöhnung mit unserer Vergangenheit. Dies ist die Kraft von Kintsugi: Versöhnung, eine “Restauration”, die über eine Wiederherstellung hinausgeht.
In unserem Live-Videomitschnitt von einem spontanen Beitrag einer Teilnehmerin an einem Kintsugi Abend beim House of Beautiful Dinner hören wir, wie der Lichteinfall etwas Kostbares für sie sichtbar gemacht hat.
Die zweite Perspektive auf Kintsugi:
Es geht nicht um die Narben, sondern um das innere Licht und die Schönheit, die durch sie hinaus scheinen.
James Doty erzählt in seinem Buch “Into the Magic Shop” seine eigene Geschichte, über den Jungen und später so erfolgreichen Neurochirurg, der erst im Laufe seines Lebens sein eigenes Herz fand. Dafür waren Höhen und Tiefen notwendig. James Doty spricht von Verletzungen, die nicht nur von anderen kamen, sondern die er sich selbst zugefügt hat: sei es durch Stolz, Hochmütigkeit und eigene Verfehlungen. Die Auseinandersetzung mit diesen Höhen und Tiefen war genau der Weg, über den er zu sich selbst fand.
James Doty schreibt:
In einem Instagram Live Talk sprach er kürzlich mit Motoki Tonn über Kintsugi:
Die dritte Perspektive auf Kintsugi: Die Narben erinnern uns daran, wer wir wirklich sind.
Wir sind keine perfekten Menschen. Eine Welt von automatisch optimierten Selfies möchte uns zeigen, dass es uns stets gut geht. Zugleich wissen wir alle, dass dies nicht der Fall ist. Und doch werden schwierige Themen häufig von uns vermieden und finden gesellschaftliche eher im Schatten statt. Dabei können wir selbstbewusst mit unseren Narben umgehen. Wir könnten sie sogar “stolz” zeigen und diese tiefgreifenden Veränderungen sichtbar machen. James Doty betont:
Alle Perspektiven haben ihre Berechtigung
Wenn wir Kintsugi als Metapher auf unser Leben anwenden, ist jede der Perspektiven hilfreich:
1. Licht fällt in uns hinein: Wir entdecken Kostbares.
2. Licht scheint heraus: Wir dürfen Kostbares und Schönheit von innen bezeugen.
3. Licht fällt auf die Narben: Die Narben gehören zu uns – und sie formen uns. Sie sind Teil unserer Persönlichkeit, unseres inneren und äußeren Wesens. Sie formen uns zu der Gestalt, die wir sind.
Links und Hinweise:
James Doty ist Professor für Neurochirugie an der Stanford Universität und dem Autor des Buches “Into the Magic Shop”. Darüber hinaus ist er der Gründer des Zentrums CCARE für Mitgefühls-Altruismusforschung & Erziehung an der Standford Universität.
Motoki über das Gespräch mit James Doty bei Youtube.