Ikigai und Kaizen
Eine kleine Episode aus unserem Mini-Audiokurs über Ikigai. Viel Freude wünschen wir euch.
Darunter findet ihr das Transkript der Folge.
Ikigai und Kaizen – zwei häufig missverstandene japanische Philosophien
Wenn wir über fernöstliche Prinzipien sprechen, kommt es oft vor, dass wir die Begriffe sehr, sehr schnell durcheinander bringen. Und das habt ihr ja schon in den ersten Folgen hier gelernt, dass Ikigai so missverstanden wird.
Man kann wirklich sagen, dass 99% dessen, was man über Ikigai liest, 99% aller Bücher über Ikigai auf Amazon, leider nicht richtig sind. Denn sie haben mit einem Modell zu tun, das im Prinzip nicht japanisch, sondern spanisch ist und von André Zuzunaga stammt.
Wenn du das noch nicht gehört hast oder noch nicht wusstest, höre dir die ersten Folgen unseres Mini-Audio-Kurses Ikigai an. Und so ist es auch mit anderen japanischen Begriffen - etwas mit Zen oder Kaizen oder Wabi-Sabi. Vieles wird missverstanden, vereinfacht und wird so der wahren Bedeutung der Begriffe nicht gerecht.
Iki-gai und Kai-zen
Ich habe mir gedacht, wir sprechen heute einmal über zwei bekannte Begriffe, nämlich Ikigai einerseits und Kaizen andererseits. Von Ikigai wissen wir schon, dass es so etwas wie Leben, Alltag und Wert bedeutet. Also es geht um die Frage, was macht unser Leben lebenswert?
Und das ist eine tolle Frage, die du wirklich herunterbrechen kannst auf die kleinen Minuten, die kleinen Sekunden dieses Tages. Du kannst dich jetzt fragen, genau jetzt hier, was war vielleicht heute schon da, auch wenn dieser Tag, so wie bei mir jetzt, ein bisschen grau ist, was war so ein kleiner Moment von etwas Gutem. Etwas Schönes im Leben. Oder eine ganz, ganz kleine Begegnung draußen, heute mit dem Hund, dem Nachbarn, wie auch immer, beim Bäcker.
Eine ganz kleine Begegnung, die doch etwas Wertvolles hatte. Und diese kleinen Dinge, diese mikroskopisch kleinen Dinge, können es sein, die unsere Aufmerksamkeit auf diese Dinge lenken und damit ein Ikigai-Gefühl erzeugen, das so etwas wie Dankbarkeit ist.
Der Gedanke und das Gefühl, “das Leben ist lebenswert” – trotz aller Umstände.
Ikigai ist also keine Glücksformel. Es ist auch nicht, wie Michael Nickel kürzlich in unserem Podcast sagte, ein Rezept für Glück.
Denn wir sind uns immer bewusst, was vielleicht nicht gut ist im Leben oder in dieser Welt. Aber wenn ich jetzt wieder aus meinem Fenster schaue, dann sehe ich dort die wunderbaren Gräser, die sich im Wind bewegen, und da ist ein kleiner Vogel, der nach Futter sucht. Das klingt so banal, aber ich nehme mir eine Sekunde Zeit, während ich über Ikigai und Kaizen spreche, um das wahrzunehmen. Und eigentlich denke ich, dass das Leben doch sehr schöne und lebendige Seiten hat. Nun, vielleicht ist das nicht dein Beispiel. Vielleicht hast du andere Beispiele.
Durch Innehalten und bewusstes Wahrnehmen zum Ikigai finden
Nimm dir einen Moment Zeit, um darüber nachzudenken, welche kleinen Dinge dir heute schon so etwas wie Lebenswert gegeben haben. Und vielleicht möchtest du dich auch öffnen für die Dinge, die heute noch kommen. Und sprichwörtlich deinen Geist ein wenig dafür öffnen, deine Wahrnehmung dafür öffnen, deine Kognition dafür einsetzen, dass so etwas heute noch passieren kann.
Und vielleicht passiert es dann, weil wir einfach aufmerksamer dafür sind. Das ist jetzt Ikigai, ein kleiner Teil von Ikigai.Was Kai-zen bedeutet
Und vielleicht habt ihr schon einmal von japanischen Firmen gehört, die für ihre Qualität bekannt sind, zum Beispiel Toyota oder andere. Und oft wird diese technische und wirtschaftliche Welt mit dem Stichwort Kaizen in Verbindung gebracht. Und wie Ikigai ist auch Kaizen ein Wort, das aus zwei Silben besteht. Kai und Zen. Und Zen ist etwas, was du vielleicht auch schon oft in deinem Leben gehört hast. Und du denkst jetzt vielleicht an Zen-Buddhismus oder Zen-Meditation. So was in der Art. Aber es ist erst mal gar nichts Spirituelles, sondern Zen bedeutet eigentlich nur das Gute. Kai wiederum bedeutet hier das Kleine. So ähnlich wie Ikigai. Kai bedeutet hier das Kleine. Und deswegen ist so ein Prinzip, eine Lebensphilosophie und auch eine Arbeitsphilosophie entstanden, das heißt mit kleinen Schritten, mit kleinen Maßnahmen in unserem Leben oder in einer technischen Welt im Prozess.
Und das ist erst einmal genial. Denn das Leben ist voll und es ist auch groß, aber wenn man auf die kleinen Dinge achtet, dann gibt es eigentlich immer etwas, was man vielleicht noch ein bisschen besser machen kann, anders betrachten kann oder in der technischen und wirtschaftlichen Welt optimieren kann. Und gerade in einer technischen und wirtschaftlichen Welt ist das nichts Schlechtes.
Kaizen in der Wirtschaft
Denken wir an den Bau eines Flugzeugs. Wer würde nicht gerne in ein Flugzeug steigen, in den Urlaub fliegen und wissen, dass das Flugzeug und die Ingenieure wirklich alles getan haben, bis zur letzten Schraube, aber auch bis zum letzten Prozessschritt, damit dieses Flugzeug, mit dem du gleich fliegst, die beste Qualität hat und damit sicher ist, damit es auch Leben schützt und damit letztlich dem Guten dient. Ob das Fliegen dem Guten dient oder ob das Fliegen überhaupt gut ist, das ist nicht die Frage.
Bei Kaizen geht darum, etwas zu fertigen, etwas in diese Welt zu bringen, was von guter Qualität ist.
Und das ist erst einmal ein großer Anspruch und eine große Definition. Das Schöne an dieser offenen Definition ist auch, dass wir jeden Tag etwas tun können, um uns dem anzunähern.
Kaizen im eigenen Leben
Wenn wir jetzt in den persönlichen Lebensbereich gehen, dann gibt es hier eine Gefahr und genau vor dieser Gefahr möchte ich sozusagen warnen. Die Gefahr ist, wenn wir diese Prinzipien ganz einfach auf unser Leben adaptieren. Erst einmal in die europäische Mentalität oder in die westliche Mentalität zu bringen und dann einfach eins zu eins zu übersetzen.
Die Gefahren des Produktivitätseifers
Die sozialen Medien und YouTube sind voll von Menschen, die sich jahrelang der Produktivität verschrieben haben, wie James Clear oder Tim Ferris, und dann gemerkt haben, dass sie ausbrennen.
Das ist nichts Gutes. Ich persönlich brauche mehr Ruhe und Auszeiten. Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, haben wir in unserem IKIGAI Buch ausführlich darüber geschrieben.
IKIGAI, das Geheimnis der kleinen Dinge, findest du zum Beispiel bei deinem lokalen Buchhändler, auf allen bekannten Plattformen und auch bei uns auf der Finde-Zukunft Webseite.
Die Philosophie von Kaizen ist dort präsent und kann technisch in unser Leben übertragen werden. Wenn ich anfange, jede Sekunde und jede Minute meines Lebens zu optimieren, kann das anstrengend werden und ich komme kaum zur Ruhe. Das ist nicht das, was Kaizen bedeutet. Im Westen gibt es eine Diskussion darüber, wie man glücklicher werden kann, wie zum Beispiel in Büchern wie “1% Happier” oder der Idee von “Tiny Habits”.
Mit kleinen Schritt zur Veränderung
Das bedeutet, dass kleine Schritte im Alltag langfristig eine große Wirkung haben. Dieser Effekt wird auch als Zinseszins-Effekt oder im Englischen als Compounding-Effekt bezeichnet. Wenn wir uns täglich mit einer Kleinigkeit beschäftigen und diese verbessern, baut sich das auf und führt zu einer Veränderung. Wir nehmen zuerst tief Luft und lassen die Idee wirken, denn sie ist zunächst gut.
Die Frage ist: Wie können wir sicherstellen, dass es eine gute Idee bleibt, ohne uns in einen Produktivitätswahn zu stürzen und uns im Optimieren zu verlieren?
Und hier können wir die Kaizen-Philosophie wirklich mit Ikigai verbinden. Ikigai bedeutet, dass wir, wenn wir es auf das Leben anwenden und praktisch werden lassen, klein anfangen.
Das wahre Ikigai und Kaizen
Wenn ihr euch an die sieben großen Dimensionen von Mieko Kamiya erinnert, zum Beispiel, dass ihr an eurer Lebenszufriedenheit arbeiten möchtet, gibt es fünf oder sechs Punkte, die Ken Mogi in seinem kleinen Buch über das Ikigai erwähnt hat. Eine der schönsten Dinge, die ich darin finde, ist, klein anzufangen. Das bedeutet, dass ich alles, was ich jetzt mache und machen möchte, kritisch und ehrlich betrachten sollte. Ich finde sicherlich Dinge in meinem Leben, die nicht immer gut für mich sind.
Zum Beispiel könnte 'gut' bedeuten, dass ich auf meine Gesundheit, mein Wohlbefinden und meine psychische Gesundheit achte. Anstatt große, radikale Veränderungen vorzunehmen, kann ich Ikigai und Kaizen kombinieren und mit kleinen Schritten langfristig etwas Gutes bewirken. Ich kann und darf damit beginnen, die kleinen Dinge, die ich jeden Tag tue und die mir nicht guttun, Zug um Zug zu ändern. Dabei ist es wichtig, geduldig, achtsam und rücksichtsvoll mit mir selbst zu sein.
Wenn es nicht sofort klappt, ist es auch okay, klein anzufangen und eine freundliche Sprache gegenüber mir selbst zu entwickeln.
Konkrete Vorhaben Schritt für Schritt angehen
Das ist zum Beispiel etwas ganz Konkretes, was ich entwickeln möchte.
Ich möchte eine Sprache entwickeln, die freundlicher mit mir selbst spricht. Viele Menschen sind ihre eigenen größten und schärfsten Kritiker. Ein guter Freund sagte mir einmal, dass ich keine Freunde mehr hätte, wenn ich mit ihnen so sprechen würde, wie ich manchmal mit mir selbst spreche. Deshalb möchte ich an diesem Thema konkret arbeiten. Ich nutze jetzt Ikigai, um meine Prinzipien umzusetzen. Ich nutze Ruhe, Zeit, Aufmerksamkeit und Gelassenheit. Außerdem erinnere ich mich daran, dass ich klein anfangen darf.
Und ob das zu etwas Gutem geführt hat, oder ob man auf dem Weg ist,
Ikigai ist eine Reise.
Ob mir das langfristig etwas Gutes bringt, werde ich euch in der nächsten Folge erzählen. Ich hoffe, das war hilfreich für euch. Ich wünsche euch einen wunderbaren Tag mit vielen Ikigai-Momenten und eine gute Balance, wann immer ihr spürt, dass ihr etwas anfassen oder anpacken wollt, so wie ich es tun möchte – dass ihr das mit einer Ikigai-Haltung tut und euch nicht überfordert, nicht zu kritisch mit euch selbst seid, denn dann kann etwas Gutes entstehen, oder?
Sagt mir bitte, was ihr von dieser Idee haltet. Schreibt mir eine E-Mail, ich würde mich sehr freuen, ein Feedback von euch zu bekommen. Vielen Dank.