Raus aus Abwärtsspiralen
Wenn sich dunkle Wolken am Horizont bilden, wenn wir herausfordernde Nachrichten erhalten, neigen wir schnell dazu, sie auf unser ganzes Leben anzuwenden. Dadurch vergrößern sich die dunklen Wolken am Horizont schnell zu einem großen Ungewitter. Oftmals verlieren wir dabei den Kontext aus dem Auge – unsere Perspektive verengt sich und entspricht nicht mehr der Realität.
In unserer Vorstellung kann dann ein einziger Fehler – etwa auf der Arbeit oder im Privaten – zu einem großen Thema werden. Wenn wir etwa zu einem wichtigen Termin zu spät kommen, reift in uns schnell der Gedanke, dass wir das ganze Treffen “vermasselt” haben. Eine falsche E-Mail kann schon emotional in uns zu einem großen Drama anwachsen.
Die Gefahr ist, dass wir ein singuläres Ereignis auf unser gesamtes Leben projizieren. Wir neigen dazu, einzelne Ereignisse zu generalisieren. Nur weil wir einmal einen Fehler gemacht haben, heißt das noch lange nicht, dass wir immer einen Fehler machen werden. Und es bedeutet erst recht nicht: Das wir selbst “der Fehler sind”.
Und dennoch kommen häufig in solchen Situationen innere Zweifel in uns hoch – unsere “inneren Kritiker” können dann sehr laut werden, sie können sogar alle anderen Stimmen in uns übertönen. Dann verlieren wir die Fähigkeit, einen ausgewogenen Blick auf die Situation im Kontext unseres ganzen Lebens zu werfen. Wir vergessen etwa, dass wir schon vieles im Leben erreicht haben und Sätze wie “ich werde das nie schaffen”, “ich habe das vermasselt” prägen unsere Perspektive. Wie können wir aus solchen “alles-oder-nichts” Gedanken aussteigen?
Unterbrechung
Eine der einfachsten Übungen, die wir empfehlen, ist eine Unterbrechung zu suchen – den Ort zu verändern, spazieren gehen, vom Computer und Arbeitsplatz aufstehen – und sich diese einfachen Worte einzuprägen:
Nicht ich – nicht mein ganzes Wesen, meine ganze Persönlichkeit ist von dem aktuellen Ereignis in Frage gestellt.
Nicht immer – dieser Zustand wird nicht für immer fortbestehen. Umstände verändern sich. Dies ist “nur” ein Prozess.
Nicht alles – nicht mein ganzes Leben ist hiervon beeinträchtigt. Dies verhilft uns, genauer hinzuschauen, welcher Bereich betroffen ist.
Auswege aus dem Karusell
Es gibt sehr wirksame Tools und Techniken für den Umgang mit diesen Situationen., die unsere Widerstandsfähigkeiten (“Resilienz”) stärken können. Ein einfaches Mittel ist die “Gedankenstoptechnik”. In unseren Seminaren nutzen wir das englische Akronym “SBNRR” – das wir auch mit “SomeBody needs to rest and reflect” übersetzen können:
Stoppe: Halte inne. Nimm Dir eine bewusste Auszeit. Sage innerlich oder laut: “Stop”. So trivial dies klingen mag, so wirksam kann dies sein.
Breathe: Atme. Die Situation ist stark von Emotionen geprägt, diese beeinflussen unsere Gedanken und Handlungen. Eine bewusste Konzentration auf unsere Atmung verhilft uns, uns zu beruhigen und innerlich neu aufzustellen.
Notice: Jetzt sind wir in der Lage, festzustellen, was in uns vorgeht. Hierzu können wir die Perspektive eines Aussenstehenden oder auch eines guten Freundes einnehmen. Was würden sie beobachten? Was können wir an uns selbst feststellen? Unser Körper verrät und viel über uns: Ist unser Puls erhöht, haben wir schwitzige Hände, sind wir unruhig? Dies können wir feststellen und als Erfahrungszustand beschreiben. Das bedeutet, dass wir “Stress erfahren” oder “Sorge” oder “Angst spüren”. Wir sind aber mehr als unsere Gefühle – wir sind nicht “die Angst” oder “die Sorge”. Diese Beobachtungen können uns helfen, Abstand zu gewinnen und unsere Emotionen als vorübergehende Prozesse in einer spezifischen Situation festzustellen. Dadurch können wir den ersten Schritt gehen, um die Situation zu “entkatastrophisieren”.
Reflect: Jetzt haben wir den Ausgangspunkt erreicht, an dem wir beginnen können, die Situation mit etwas mehr Abstand zu reflektieren. Fragen, die uns helfen können, sind bspw. “Ist es wirklich so schlimm, wie ich es verspüre?”.
“Hängt mein Leben an der Email, an dem Job, …”, “Welche bedeutsamen Dinge / Ressourcen im Leben habe ich?”. Auch können wir überlegen, welche Alternativen uns zur Verfügung stehen. Kann uns ein Freund helfen, die Situation zu reflektieren? Was würde mir jetzt helfen? Bewusstes Atmen, Meditieren, Spazierengehen, Musik hören – was wäre jetzt gut für mich? An dieser Stelle können wir uns auch Dinge erlauben, die uns im Sinne von “Self-Compassion” gut tun. Auch können wir noch einmal prüfen, ob unser innerer Kritiker nicht gerade zu laut ist. Im Umgang mit dem inneren Kritiker gibt es weitere Techniken, die wir in unseren Seminaren kennen lernen.Response: Jetzt können wir reagieren. Überlegen, wie wir konkret mit der Situation umgehen. Wir können aktiv werden, den Hörer in die Hand nehmen und uns bei einer Person entschuldigen, das Gespräch suchen. Häufig stellen sich dann innere “Katastrophen” ganz anders dar.
Ein wunderbares Beispiel im Sinne “aus einer Mücke einen Elefanten zu machen” ist die Geschichte von einem Nachbar und einem Hammer, die der berühmte Kommunikationsexperte und Psychologe Paul Watzlawik hier persönlich erzählt: