Ikigai und Natur – Shinrin-Yoku: Waldbaden mit Olga Reich

Olga Reich über Ihre Verbindung zu Ikigai und Shinrin-Yoku

Olga Reich ist Leiterin des Forest Healing Instituts und zertifizierte Finde Zukunft Ikigai Expertin.

Im Jahr 2020 trafen Ikigai und Shinrin Yoku wie sanfte Wellen auf mein Leben, das u.a. von Isolation, Home-Schooling und Ängsten während der Pandemie geprägt war. Ein Allgemeinarzt empfahl mir, täglich in den Wald zu gehen und das Spiel des Lichts durch die grünen Baumkronen zu beobachten. Es würde mir helfen, sagte er, mit den Herausforderungen des Alltags als berufstätige Mutter von zwei Kindern besser umzugehen. Dieser Rat veränderte tatsächlich vieles. Mit dem "Komorebi", dem Licht, das durch die Blätter im Wald schimmerte, wie die Japaner dieses schöne Phänomen nennen, sah ich plötzlich auch mehr Licht in meinem Leben. Ich sammelte die Sonnenstrahlen und speicherte täglich den Geruch des nassen Waldbodens an einem Ort in mir, der in meiner Kindheit so lebendig war, in den letzten Jahren jedoch zunehmend verlassen schien. Die Melodien der Vögel lehrten mich Freude und Gelassenheit, erinnerten mich daran, dass ich frei war und selbst Flügel hatte.

Forest Medicine – die heilende Kraft des Waldes

Das Buch, das Olga inspirierte – Yoshifumi Miyazaki: "Shinrin-Yoku – Heilsames Waldbaden".

Immer mehr Menschen begleiteten mich in den Wald und ließen sich von der zauberhaften Leichtigkeit bezaubern. Zusammen erfuhren wir, was es bedeutet, wieder eins mit der Natur zu sein. Wir trugen unsere Sorgen und Ängste in den Wald hinein und kehrten wie verzaubert, angenehm leer und leicht zurück. Aus "meinem" Wald wurde "unser" Wald. Dann stieß ich auf den Begriff "Forest Medicine" und erkannte, dass es für unsere erlebte Waldmagie sogar wissenschaftliche Erklärungen gab. Die Vorstellung, dass Waldbaden das Immunsystem stärkte und sogar dazu beitragen könnte, Herz- und Krebserkrankungen präventiv vorzubeugen, begeisterte mich zutiefst.

Mit dem Buch "Shinrin Yoku – Heilsames Waldbaden" von dem japanischen Professor Yoshifumi Miyazaki begann meine Reise als Wald- und Naturtherapeutin. Heute bilde ich an meinem Institut Waldbaden-Trainer und Naturcoaches aus, die anderen durch diese wundervolle und äußerst wirksame japanische Therapie helfen möchten. Ich bin dankbar, diesen Weg gewählt zu haben, denn er schenkt mir täglich unzählige schöne Ikigai-Momente. Sehr gerne teile ich ein paar davon auch mit dir!

Interview mit Olga

Motoki: Liebe Olga, im Jahr 2020 trafen Ikigai und Shinrin Yoku auf dein Leben. Was war deine erste Reaktion, als dir dein Arzt empfahl, täglich in den Wald zu gehen? Welche Gefühle und Gedanken gingen dir durch den Kopf?

Olga: Lieber Motoki, das ist eine schöne Frage, bei der ich heute lächeln muss. Obwohl ich den Wald schon immer mochte, konnte ich mir damals nicht vorstellen, wie das einfache Betrachten der Baumkronen und des Lichts dazwischen meine gesundheitlichen Probleme lösen sollte. Doch da ich etwa drei Monate auf einen Termin bei einem Facharzt warten musste, der auf meine Symptome spezialisiert war, entschied ich mich dazu, es zu versuchen. Nach etwa zwei Wochen bemerkte ich bereits die ersten positiven Veränderungen und war meinem Arzt und seinem "ungewöhnlichen" Vorschlag sehr dankbar. 

Motoki: Du hast das Phänomen "Komorebi" erwähnt, das Licht, das durch die Blätter schimmert. Kannst du uns mehr über diesen Moment erzählen und wie er dein Leben und deine Sichtweise verändert hat?

Olga: Das Betrachten des "Komorebi", des schimmernden Lichts zwischen den Baumblättern im Wald, fühlt sich für mich an wie eine Reise zurück zu meinem eigenen Licht. Sie beginnt in der Stille, mit einer bewussten Entscheidung. Ich richte meinen Blick und meine volle Aufmerksamkeit ganz bewusst nach oben, zum Himmel. Gleichzeitig liege ich entweder auf dem Waldboden oder lehne mich an einen Baum und fühle mich mit der Erde verbunden. Das gibt mir Halt und das Gefühl, getragen zu sein.

Im Wald herrschen oft Schatten und Kühle. Wenn mich die ersten Sonnenstrahlen erreichen und meine Haut streicheln, genieße ich ihre Wärme. In Momenten des "Komorebi" wird mir bewusst, welche Bedeutung das Licht, die Sonne für uns alle hat, und ich empfinde tiefe Dankbarkeit dafür. "Komorebi" wirkt auf mich und andere nach kurzer Zeit außerdem sehr entspannend. Es kommt nicht selten vor, dass ich und meine Begleiter einfach nach ein paar Minuten einschlafen. :-)

Motoki: Wie hat sich deine Beziehung zur Natur von deiner Kindheit bis zu den Herausforderungen während der Pandemie entwickelt? Gibt es besondere Erinnerungen aus deiner Kindheit, die durch deine Waldspaziergänge wiederbelebt wurden?

Olga: Als Kind habe ich mit meinem Opa oft Pilze im Wald gesammelt. Der Geruch von Regen und dem feuchten Waldboden erinnert mich bis heute an diese schöne, unbeschwerte Zeit. Während der Pandemie bin ich alleine und auch mit meiner Familie oft in den Wald gegangen. Meine kleine Tochter spricht sogar heute noch gerne darüber, wie wir dort Rehe und andere spannende Dinge entdeckt und erlebt haben. Ich denke, die Natur, und besonders der Wald, war für mich und viele andere Menschen während der Pandemie eine wichtige Kraftquelle.

Motoki: Was bedeutet Ikigai für dich persönlich und wie hat es dein Leben verändert, insbesondere in Bezug auf deine Arbeit als Wald- und Naturtherapeutin?

Olga: Ikigai bedeutet für mich, die Freiheit zu haben zu träumen und zugleich fest verwurzelt zu sein. Wie ein Baum, der mit seinen tiefen Wurzeln die Erde umarmt und seine Äste gen Himmel streckt. Er existiert in einer harmonischen Beziehung mit seiner Umgebung, eingebettet in das große Ganze. Ikigai ist für mich ein Ort jenseits von Raum und Zeit. Doch zugleich ist es präsent, schwingt in einer eigenen Frequenz und kann geteilt werden. Während meiner Tätigkeit als Wald- und Naturtherapeutin erlebe ich Ikigai oft hautnah. Es ist, als würde mein Herz im Einklang mit dem Rhythmus des Waldes schlagen, und ich fühle mich eingebunden, ein Teil von etwas Größerem. Besonders erfüllt es mich, wenn ich diese Wirkung auch bei meinen Begleitern beobachten kann.

Motoki: Du hast beschrieben, wie du anfänglich allein im Wald warst und später immer mehr Menschen begleitet hast. Wie war dieser Übergang für dich und wie hat er die Bedeutung des Waldes für dich verändert?

Olga: Am liebsten gehe ich alleine in den Wald. Während der Pandemie habe ich das täglich getan. Mit der Zeit kamen auch Freunde mit. Wir haben uns im Wald über verschiedene Themen unterhalten, die uns beschäftigten. Oft konnten wir dabei schnell Lösungen für Probleme finden oder unsere Ängste lösten sich von selbst. Nach diesen Gesprächen gingen wir erleichtert nach Hause.

Irgendwann schlug ich vor, dass wir eine Weile einfach nur schweigend im Wald sitzen und den Geräuschen lauschen sollten. Schon während meiner Solo-Zeit im Wald hatte ich gemerkt, wie wohltuend das war. Wir waren uns alle einig, dass diese "Waldgespräche für die Seele", wie ich sie nannte, einfach guttaten.

Ich entschied mich dafür, solche Gespräche nicht mehr allein mit meinen Freunden zu führen. So entstand die Idee für mein Waldcoaching. Später absolvierte ich eine Ausbildung zum Wald- und Naturcoach an der Internationalen Akademie für Wald- und Naturtherapie in Baden-Baden und ließ mich anschließend zur Dozentin auf diesem Gebiet weiterbilden. Im Sommer 2023 gründete ich mein eigenes Institut für Wald- und Naturtherapie in Stuttgart.

Motoki: Kannst du uns von einem besonders eindrucksvollen Moment erzählen, den du während einer deiner Waldtherapien erlebt hast? Wie hast du gesehen, dass die Natur anderen Menschen geholfen hat?

Olga: Beim Waldbaden gibt es unzählige schöne Augenblicke. Kürzlich kam eine Frau zu mir, die ein sehr bewegtes Leben führte. Sie berichtete mir von jahrelanger Pflege kranker Verwandter und davon, dass sie kaum Zeit für sich selbst und Ruhepausen fand. Gemeinsam begaben wir uns in den Wald und nach ein paar einführenden Achtsamkeitsübungen legten wir uns auf den weichen Waldboden. Dort konnte sie die frischen, zarten Buchenblätter betrachten, die sich sanft im Frühlingswind über uns bewegten.

Diese einfache Betrachtung entspannte sie zutiefst. Nach kurzer Zeit schlief sie friedlich ein. Als sie erwachte, konnte ich eine Veränderung in ihrem Gesichtsausdruck bemerken. Ihre Haut wirkte frischer, und sie atmete viel ruhiger. Nach diesem wundervollen Erlebnis war sie fest entschlossen, sich öfter solche kleinen Auszeiten im Wald zu gönnen.

Motoki: Wie hat die wissenschaftliche Grundlage der "Forest Medicine" dein Verständnis und deine Praxis des Waldbadens beeinflusst? Gibt es spezifische Studien oder Erkenntnisse, die dich besonders begeistert haben?

Olga: Schon immer fühlten sich die Menschen auf magische Weise von Wald und Bäumen angezogen. Auch ich war da keine Ausnahme. Lange Zeit wussten wir jedoch nicht genau, wie diese "Waldmagie" funktioniert. Dank fortschrittlicher Technologie können wir nun genauer messen, was mit unserem Körper und unserer Psyche passiert, wenn wir im Wald sind. Der japanische Professor Qing Li war einer der ersten modernen Wissenschaftler, die die gesundheitlichen Effekte von Waldaufenthalten erforschten.

In mehreren Studien stellte er fest, dass Waldtherapie nicht nur den Stresspegel im Körper senkt, sondern auch die Anzahl der natürlichen Killerzellen im Blut erhöht und somit unsere Immunfunktion verbessert. Bei den Probanden von Professor Li hielt diese Wirkung mindestens eine Woche, bei manchen sogar bis zu einem Monat lang an. Diese Ergebnisse fand ich persönlich sehr beeindruckend. Die Forschung zur Waldmedizin half mir zu verstehen, was genau mit mir im Wald passiert, und motiviert mich auch heute dazu, anderen Menschen die Waldtherapie näherzubringen.

Motoki: Wie hast du die Ikigai-Reise mit Finde Zukunft empfunden und was hast du auf dieser Reise Wertvolles für dich entdeckt?

Olga: Der Ikigai Expertentag mit dir und Michael war für mich eine sehr entschleunigende Erfahrung. Deine ruhige Stimme und Michaels wunderschöne Klaviermusik haben es mir ermöglicht, tief in meine innere Welt einzutauchen, zu träumen und zu fühlen, was mir im Leben wirklich wichtig ist. In den Gesprächen mit dir und den anderen Teilnehmern habe ich die Bedeutung des achtsamen Zuhörens erkannt und wie herausfordernd es sein kann, einfach für jemanden da zu sein und sich seine Geschichte anzuhören.

Ich habe auch festgestellt, dass Shinrin Yoku und Ikigai viele Gemeinsamkeiten haben. Bei einem Waldspaziergang kann man viele bedeutungsvolle Momente erleben, sich der Schönheit um uns herum bewusst werden, den Lebenskreislauf beobachten und bewusst mit Körper und Seele daran teilhaben. Der Ikigai Expertentag hat mir erneut verdeutlicht, wie wichtig meine Arbeit als Wald- und Naturtherapeutin ist und wie ich Menschen noch besser dabei unterstützen kann, sich ihrem eigenen Ikigai anzunähern.

Motoki: Würdest du gerne einmal Waldbaden in Japan oder an einem anderen speziellen Ort erleben? Wenn ja, welcher Ort fasziniert dich besonders und warum?

Olga: Ich würde sehr gerne nach Japan während der Kirschblüte reisen und mir die blühenden Bäume ansehen.

Motoki: Du bildest jetzt Waldbaden-Trainer und Naturcoaches aus. Was motiviert dich, dein Wissen weiterzugeben, und welche Ikigai-Momente erlebst du, wenn du siehst, wie andere Menschen durch deine Ausbildung die Naturtherapie anwenden?

Olga: Die Natur kommuniziert mit uns Menschen auf ihre eigene Weise. Obwohl wir keine Worte hören, spüren wir ihre Schwingungen körperlich und geistig. Viele indigene Völker konnten die Sprache der Natur verstehen und lebten im Einklang mit ihrem Rhythmus. In unserer modernen Welt haben sich jedoch viele von uns von der Natur entfremdet, was zu gesundheitlichen Problemen führen kann, da wir genetisch darauf ausgelegt sind, in enger Verbindung mit der Natur zu leben.

Ich spüre, dass es für das Überleben unserer Spezies auf diesem Planeten entscheidend ist, wieder ein Gespür für die Sprache der Natur zu entwickeln. Denn diese Sprache ist auch mit unserer inneren Stimme verbunden. Wenn wir die Natur besser verstehen und uns wieder mit ihr verbunden fühlen, können wir auch uns selbst und unsere wahre Natur besser verstehen.

Die Menschen, die ich ausbilde, haben oft schon ein feines Gespür für die Stimme der Natur. Sie suchen nach Ruhe in der Natur, um genau hinzuhören, um sich selbst klarer zu sehen und ihren eigenen Weg zu finden. Manchmal möchten sie auch Ballast loswerden, der ihre Seele belastet. In der Ausbildung lernen sie selbstverständlich Waldbaden- und Naturtherapie-Übungen, die sie später in ihrem Coaching-Alltag anwenden können. Doch vor allem durchlaufen sie eine persönliche Transformation, bei der Altes Platz für Neues macht. Es bereichert mich zutiefst, sie auf diesem Weg zu begleiten und zu sehen, wie sie sich weiterentwickeln.

Motoki: Vielen Dank für das Interview.

Olga: Gern geschehen.


Kontakt & Angebote von Olga Reich

Neben der Ausbildung zum Waldbaden-Trainer*in und Naturcoach*in bietet Olga auf ihrer Plattform Forest Healing auch ein Ikigai Naturcoaching an, das wir an dieser Stelle besonders hervorheben möchten. Olga ist zertifizierte Ikigai Expertin und enge Freundin von Finde Zukunft. Wir bedanken uns für die vielen schönen gemeinsamen Momente und hoffen auf viel mehr in der Zukunft.

Webseite: www.foresthealing.de
Instagram: @foresthealinginstitut
Ikigai: Ikigai Naturcoaching


 

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